Urinverlust - muss das sein?

Unwillkürlicher Urinverlust, medizinisch Harninkontinenz genannt, ist in erster Linie ein Problem von Frauen. 80% aller Betroffenen sind weiblich, wobei es sich vor allem um Frauen jenseits der Wechseljahre handelt. Jede zweite Frau über 50 leidet mehr oder weniger darunter, im Alter von 18-44 Jahren sind immerhin 25% der Frauen betroffen.


Die verschiedenen Formen der Harninkontinenz

Bei Frauen gibt es im wesentlichen drei Formen:

Dranginkontinenz

Die Frau verspürt Harndrang, den sie (fast) nicht unterdrücken kann. Oftmals wird die nächste Toilette nicht mehr rechtzeitig erreicht. Auch der Schlaf kann durch den Harndrang gestört werden.

Belastungsinkontinenz

Typisch ist hierbei, dass zum Beispiel beim Niesen, Husten, Lachen oder auch Heben unwillkürlich Urin abgeht. In schwereren Fällen verliert die Frau auch beim Treppensteigen oder einfach im Stehen Urin.

Mischinkontinenz

Dies stellt eine Mischform aus Drang- und Belastungsinkontinenz.



Was sind die Ursachen von Harninkontinenz?

Bei der Dranginkontinenz ist der Blasenmuskel überaktiv und zieht sich schon bei geringer Blasenfüllung unwillkürlich zusammen. Ursache können zum Beispiel organische Veränderungen an Blase oder Nachbarorganen, Harnwegsinfekte oder nervliche Störungen sein.
Bei der Belastungsinkontinenz ist die Funktion des Blasenverschlusses, also des Blasenschließmuskels gestört. So kann es beispielsweise durch schwere Geburten, harte körperliche Arbeit oder Bindegewebsschwäche zu einer Senkung von Blase und / oder Scheide und Gebärmutter kommen. Dadurch ist die normale Lage von Blase und Harnröhre verschoben, der Blasenschließmuskel kann nicht mehr regulär arbeiten.


Warum nimmt Harninkontinenz nach den Wechseljahren zu?

Zum einen ist die Muskulatur und Schleimhaut von Blase und Scheide auch “in die Jahre gekommen” und hat z.B. die Belastung einer oder mehrerer Geburten mitgemacht. Zusätzlich führt bei übergewichtigen Frauen der ständige Druck auf den Beckenboden zu einer übermäßigen Dehnung und damit auch Erschlaffung. Dadurch ist die Anatomie nicht mehr so wie früher und der Mechanismus, welcher notwendig für eine funktionierende Blase ist, versagt teilweise.
Zum anderen werden mit zunehmendem Alter verschiedene Medikamente, z.B. gegen erhöhten Blutdruck oder auch Psychopharmaka genommen. Diese haben manchmal eine Verschlechterung der Blasenfunktion zur Folge.
Drittens ist der Aufbau der Schleimhaut der Harnröhre und eines Teils der Blase abhängig von dem weiblichen Hormon Östrogen.


Östrogen sorgt dafür, dass

  • die Durchblutung ausreicht
  • die Gewebespannung aufrecht erhalten wird
  • die Kollagenbildung angeregt wird
  • genügend Wasser in die Zellen eingelagert wird
  • die Zellteilungsrate steigt.

Wenn in den Wechseljahren allmählich die Östrogenproduktion abnimmt und schließlich ganz aufhört, fallen all diese positiven Wirkungen auf die Schleimhäute weg. Es kommt zu Rückbildungserscheinungen mit Reizungen, häufigen Harnwegsinfektionen und Harndrang. Östrogenmangel ist daher ein wesentlicher Faktor für das Auftreten einer Harninkontinenz in den Wechseljahren.


Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Bei einer Dranginkontinenz müssen alle eventuellen körperlichen Ursachen, wie z.B. Harnwegsinfekte, herausgefunden und behandelt werden. Danach kann der überaktive Blasenmuskel durch bestimmte Medikamente ruhig gestellt werden. Ein zusätzliches Blasentraining mit dem Ziel, die Abstände zwischen den Toilettengängen zu verlängern, kann hilfreich sein

Bei einer Belastungsinkontinenz mit Beginn in den Wechseljahren ist  der Ausgleich des Östrogenmangels in der Scheide wichtig.
Zusätzlich muss die Frau selbst aktiv werden und gezielt die Muskulatur des Beckenbodens trainieren und damit den Blasenschließmuskel unterstützen. Hilfreich ist dabei oft die moderne Methode mit Biofeedback.

Bei Übergewicht muss dieses reduziert werden, damit die Belastung für den Körper verringert wird.
Diese Maßnahmen bewirken, dass Reizerscheinungen nachlassen und die Funktion des Blasenschließmuskels verbessert wird.  Bis zu 60% der betroffenen Frauen können dadurch eine Verbesserung ihrer Beschwerden erreichen. Zahlreiche Frauen geben unter zusätzlicher Behandlung mit natürlichen Östrogenen eine weitere Beschwerdebesserung an, häufig verschwinden die Probleme ganz.


Welche Probleme kann es im Bereich der Scheide geben?

Die Haut der Scheide ist ebenso östrogenabhängig, wie die Schleimhäute von Harnröhre und Blase. Bei Östrogenmangel, wie er in den Wechseljahren und danach auftritt, bildet sich daher die Haut der Scheide zurück und wird trocken. Mögliche Probleme sind dann:

  • Ausfluss aus der Scheide
  • Entzündung der Scheide
  • Verengung der Scheide
  • Trockenheit, Brennen und Schmerzen in der Scheide beim Geschlechtsverkehr

Wie wirken Östrogene bei Scheidenproblemen?

Genau wie im Bereich von Harnröhre und Blase wird auch die Haut der Scheide wieder besser durchblutet, das Gewebe wird gefestigt und die Hautzellen können ihre normale Funktion wieder ausüben. Dadurch können im allgemeinen die vorhandenen Probleme beseitigt werden.


Welche Östrogene werden verordnet?

Sind Blasen- oder Scheidenprobleme vorherrschend, wird in der Regel ein Östrogen in Form von Scheidenzäpfchen oder Salbe verordnet, welches nur auf die Schleimhäute und nicht auf Gebärmutterschleimhaut und Brustdrüse wirkt.


Was ist das Wichtigste bei Blasen- oder Scheidenbeschwerden?

Der wichtigste Schritt ist in jedem Fall, mit ihrer Frauenärztin / ihrem Frauenarzt über die bestehenden Probleme zu sprechen! Viele Frauen schämen sich oder glauben, diese Beschwerden gehören zum Älterwerden. Richtig ist: nahezu jede zweite Frau ab den Wechseljahren leidet unter Blasen- oder Scheidenproblemen. Und: es gibt sehr wirksame Behandlungsmethoden!